Die Initiative „Die Druckerei für alle“ hält seit Samstagnachmittag die Dondorf-Druckerei im Herzen Bockenheims besetzt. Zuletzt beherbergte das schöne Backsteingebäude das Institut für Kunstpädagogik der Goethe-Universität. In Zukunft soll hier das Max-Panck-Institut für empirische Ästhetik entstehen – der alte Industriebau müsste dafür jedoch weichen.

Straßenfest, Kinderprogramm, Campus Open-Air – der Samstag lockte zahllose Menschen auf den alten Bockenheimer Uni-Campus. Stadtpolitische Initiativen, der AStA der Goethe-Universität, die ada_kantine und viele weitere hatten zum großen Fest geladen. Und so herrschte schon am Nachmittag reges Treiben auf den Waschbetonplatten des Campus. Gegen 16 Uhr wurde das ohnehin dichte Programm um einen Programmpunkt reicher: Flugblätter luden zur „Pop-Up-Ausstellung“ in die Dondorf-Druckerei, das ehemalige Universitätsinstitut für Kunstpädagogik.

Tatsächlich ist hier die Kunst wieder eingezogen und im eindrucksvollen Backsteinbau präsentieren Künstler_innen eine Vielzahl von Arbeiten. Die meisten davon verstehen sich als explizit politisch, einige setzen sich mit dem Haus selbst auseinander. Um das Gebäude, das eigentlich mal erhalten und vom Max-Planck-Institut für empirische Ästhetik weitergenutzt werden sollte, ist in den vergangenen Wochen und Monaten nämlich ein veritabler Streit entfacht.

Wandel in Bockenheim – doch in welche Richtung?

Es ist heiß in Bockenheim, die Sonne brütet über dem alten Uni-Campus, der jetzt größtenteils leer steht. Alte Mensa, Juridicum, Kunstbibliothek – alles leer. Die alte Kunstpädagogik jetzt nun nicht mehr, fraglich ist, wie lange. Zentralbibliothek, Sozialzentrum, Studierendenhaus und die Institute der Mathematik und Informatik sind letzte Überbleibsel des einstigen wissenschaftlichen Zentrums der Stadt. Unter dem Label „Kulturcampus Frankfurt“ möchte die Stadt zusammen mit dem Land und der stadteigenen Wohnbaugesellschaft ABG die Flächen neu entwickeln. 300 Wohnungen sollen hier entstehen, darunter auch gemeinschaftliche Wohnprojekte. Aber vor allem ein Neubau der Musikhochschule, sowie ein städtisches „Zentrum der Künste“. Das Studierendenhaus soll zum soziokulturellen Zentrum – dem Offenen Haus der Kulturen – werden, dafür kämpfen Aktivist_innen seit Jahren. Mit ada_kantine, dem Institut für Sozialforschung und der in den nächsten Jahren entstehenden Jüdischen Akademie könnte hier ein Kulturcampus entstehen, der seinen Namen verdient.

Doch bis dahin ist es ein steiniger Weg. Um das Juridicum wird sich gestritten – Initiativen fordern den Erhalt und eine soziokulturelle Zwischennutzung, die ABG würde das Hochhaus wohl lieber morgen als übermorgen abreißen –, auch Land und Stadt streiten, nämlich über den dringend nötigen Architekt_innenwettbewerb. Neuester Zankapfel: Die Dondorf-Druckerei. Das Max-Planck-Institut für empirische Ästhetik, zurzeit in angemieteten Räumlichkeiten im Westend ansässig, soll hier einziehen. Wie passend für einen Kulturcampus, könnte man meinen. Doch wie an vielen Stellen zeigt sich auch bei dem eindrucksvollen Backsteinbau, dass das Label „Kulturcampus“ bislang mehr Prestigeprojekt und Luftschloss ist als alles andere. Am Samstag mahnten etliche Initiativen, darunter das Offene Haus der Kulturen oder die Architects for Future, dass ein Abriss der Dondorf-Druckerei einer Absage an den Anspruch des Kulturcampus gleichkäme und aus Gesichtspunkten des Klimaschutzes verheerend sei.

Kultur- und Industriegeschichte in einem Bau

Denn die Dondorf-Druckerei trägt ein großes kulturelles Erbe mit sich: Die jüdische Fabrikantenfamilie Dondorf ließ das Gebäude, einst Teil eines viel größeren Druckereikomplexes, im Jahr 1890 errichten. Die Druckerei produzierte Spielkarten und Wertpapiere. In den 1920er Jahren wurde die Druckerei verkauft, es zog die gewerkschaftseigene Union-Druckerei ein; auch das SPD-Blatt „Vorwärts“ wurde hier zeitweise gedruckt. Carl Dondorf konnte in die Schweiz emigrieren, Helene Dondorf wurde ins Ghetto Litzmannstadt im deutsch besetzten Polen verschleppt und starb dort. Auch die Union-Druckerei wurde vom NS-Regime zerschlagen. Am 5. Mai 1933 besetzte die SA Druckerei- und Verlagsgebäude, später beschlagnahmte die Gestapo das Grundstück. Der Großteil der Gebäude, auf denen heute die Universitätsbibliothek steht, wurde im Zweiten Weltkrieg zerstört. Der Backsteinbau auf der rückwärtigen Seite, zur Sophienstraße hingelegte, überdauerte jedoch. Seit 1971 beherbergte der die Institute für Musikpädagogik und Kunstpädagogik der Goethe-Universität; das Fach Musikpädagogik wurde später abgewickelt. Fortan fand hier ein transdisziplinäres Lehren, Lernen, Forschen und künstlerisches Arbeiten statt – bis zum Auszug der Universität im vergangenen Jahr. Trotz dieses großen kultur- und industriehistorischen Erbes besteht kein Denkmalschutz.

Bei der Rahmenplanung zum Bockenheimer Campusgelände war das Gebäude bereits früh dem Max-Planck-Institut zugesprochen worden – mit der Maßgabe, die historische Bausubstanz zu erhalten. 2018 wurden entsprechende Pläne vorgestellt, die in der Öffentlichkeit gut ankamen: Der charaktervolle Backsteinbau sollte erhalten und um einen Anbau mit viel Glas ergänzt werden. Doch Ende 2022 ruderte die Max-Planck-Gesellschaft zurück: Ein Erhalt sei unwirtschaftlich, man plane nun den Abriss und die Rekonstruktion der alten Fassade.

Proteste gegen Abriss

Die Initiative Dondorf-Druckerei sammelte bis Montag über 800 Unterschriften gegen den Abriss des Gebäudes. Neben der Initiative hat sich auch der Bockenheimer Ortsbeirat gegen den Abriss positioniert. Derartige Forderungen haben in Bockenheim Tradition – und einige Aussicht auf Erfolg: So konnte der geplante Abriss des Studierendenhauses bereits verhindert werden, auch der Erhalt des Juridicums ist inzwischen wahrscheinlicher als dessen Sprengung. Ein Umdenken hat eingesetzt in Bockenheim – für Bauen im Bestand. Beim Max-Planck-Institut zieht man sich derweil auf das Argument der Wirtschaftlichkeit zurück, das für einen Abriss spreche. In einem Statement auf der Institutswebseite heißt es: „Als Max-Planck-Institut hätte es uns sehr gefreut, unsere Planungen auf ein historisches Gebäude abzustimmen. Als Bürgerinnen und Bürger unseres Landes sympathisieren wir mit den von der Dondorf-Initiative und vielen anderen Beteiligten vorgebrachten historischen wie ökologischen Argumenten für den Erhalt des Bestandsgebäudes und für ein generelles Umdenken im Bausektor.“ Doch die geltenden Bestimmungen, die öffentliche Bauträger zu Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit verpflichteten, gäben dem Institut keinen Handlungsspielraum.

Tatsächlich ist das Gebäude nicht denkmalgeschützt. Zur Wahrheit gehört aber auch: Die Kostendifferenz, die das Max-Planck-Institut zwischen Umbau einerseits und Abriss samt Neubau andererseits errechnet hat, liegt in einem angesichts des Investitionsvolumens niedrigen Prozentbereich. Und sie entsteht nur, weil die verheerende CO2-Bilanz eines Abrisses nicht einberechnet wird. Angesichts der fortschreitenden Klimakatastrophe müsse hier ein Umdenken gerade bei öffentlichen Bauprojekten her, forderten unlängst die Architects for Future – gerade auch in Bezug auf die Dondorf-Druckerei. Eine Umbauordnung könnte dies rechtlich verankern, schlugen die Architekt_innen vor, die Druckerei sogar zum Modellprojekt hierfür werden.

Große Pläne für die Druckerei

Die Besetzer_innen der Dondorf-Druckerei sehen diese Diskussionen eher pragmatisch. „Wenn das Max-Planck-Institut die Dondorf-Druckerei für ungeeignet hält, dann soll sie eben woanders auf dem Gelände ihr Institutsgebäude bauen“, sagt Hannes, ein Sprecher der Gruppe. Ein Kulturzentrum will man in dem Gebäude errichten. Neben Ausstellungen können Ateliers entstehen, ein Sportraum soll eingerichtet werden, ein Begegnungsort wird geplant, auch Bildungsprojekte sind denkbar. An Ideen mangelt es nicht, schließlich fehlen in Frankfurt kulturelle und soziale Freiräume. Auch am Montag lief die Besetzung noch, sie wurde von der Universitätsleitung geduldet. Doch die Besetzer_innen fürchten eine baldige Räumung und rufen ihre Unterstützer_innen deshalb auf, die Druckerei zu besuchen und sich einzubringen. „Der Ort lebt davon, dass viele ihn mitgestalten. Solche Räume fehlen in Frankfurt“, sagt Hannes. Angesichts des riesigen Ausmaßes von Leerstand in Frankfurt, und gerade auch der ungenutzten Flächen auf dem Bockenheimer Campus wünschen sich viele Bockenheimer_innen derartige Initiativen noch viel häufiger.