Am 2. August 1943, heute vor 80 Jahren, erfolgte nach mehreren Monaten der Planung der Gefangenenaufstand im NS-Vernichtungslager Treblinka II. In der Folge dieses Aufstandes konnten mehrere Gebäude des Lagers beschädigt und zerstört werden, die Betonmauern der Gaskammern blieben jedoch bestehen. Etwa 200-250 Gefangenen gelang die Flucht, weitere 8000 Juden_Jüdinnen wurden jedoch im Anschluss an den Aufstand in den erhalten gebliebenen Gaskammern ermordet. Erst am 21. August 1943 gaben die Deutschen das Lager auf und rissen alle Gebäude ab. Zur Tarnung wurde auf dem Gelände ein Bauernhof errichtet. Der Aufstand in Treblinka war der erste bewaffnete Aufstand, der in einem NS-Vernichtungslager stattfand. Es folgte am 14. Oktober des gleichen Jahres der Aufstand im NS-Vernichtungslager Sobibor.

Zwischen dem 22. Juli 1942 und dem 21. August 1943 wurden in Treblinka etwa 900.000 Juden_Jüdinnen von den Deutschen ermordet.[1] In dem etwa 80 Kilometer nordöstlich von Warschau gelegenen Ort begangen die NationalsozialistInnen unbegreifliche Verbrechen an der jüdischen Bevölkerung. Im Unterschied zu Auschwitz handelte es sich bei den Lagern der „Aktion Reinhardt“, Belzec, Sobibor und Treblinka, um reine Mordlager. An diesen Orten wurde nicht systematisch von Zwangsarbeit profitiert und es wurden keine Selektionen der Gefangenen vorgenommen, wie es in anderen Konzentrationslagern der Fall war. Die Menschen wurden direkt in die Gaskammern getrieben und ermordet. Eine Ausnahme hiervon waren die sogenannten Funktionshäftlinge, die den systematischen Mord in verschiedener Form unterstützen mussten. Aber auch durch diese Tätigkeiten war lediglich ein Überleben auf Zeit möglich, denn die „Funktionshäftlinge“ wurden regelmäßig ausgetauscht. Damit konnte eine Vernetzung, die zur Organisation eines Aufstandes notwendig war, in der ersten Zeit des Lagerbestehens nicht stattfinden. Nachdem die Täter vermehrt beständige Funktionshäftlingskommandos schafften, konnten sich einzelne Gefangene miteinander in Verbindung setzen. Mit der Zeit schafften diese Messer und Äxte beiseite und versuchten aus der Waffenkammer der SS unauffällig Pistolen und Gewehre zu entwenden. Zudem wurden dem hinterlassenen Besitz der ermordeten Juden_Jüdinnen Wertgegenstände entnommen, um nach einer gelungenen Flucht aus dem Lager überleben zu können.[2]

Der Tag des Aufstandes war unter anderem gewählt worden, da sich zu diesem Zeitpunkt viele SS-Männer im Urlaub befanden. Ein besonderes Anliegen des Aufstandes lag darin, eine umfassende Zerstörung der Lagerstruktur durchzuführen, die Flucht stand danach. Richard Glazar, ein Überlebender des Aufstandes, beschreibt in seinem Buch Die Falle mit dem grünen Zaun genauestens die Gegebenheiten am Aufstandstag. Er gibt die Aussage eines Mitgefangenen wider: „Hört gut zu, von jetzt an geht es in dem Augenblick los, wenn sie noch jemand ins ‚Lazarett' abführen oder sonst fertig machen wollen. Keiner von uns darf noch einmal so enden.“[3]

Das Lager

Durch die Schilderungen Glazars wird ein Blick auf das Vernichtungslager eröffnet, das heute nur noch abstrakt vorstellbar ist, da die Täter seine Struktur völlig zerstört haben. An einer Stelle beschreibt Glazar, dass Treblinka am Tag des Aufstandes ganz anders aussah als noch 10 Monate zuvor:

„Es ist nicht mehr der selbe Ort wie vor zehn Monaten. Eine große, weiße Tafel kündigt den Ankommenden in schwarzer Inschrift an, dass dieser Ort ‚Treblinka-Obermajdan' heißt. Darunter sind kleine Tafeln als Wegweiser montiert. ‚Zu den Zügen in Richtung Bialystok und Wolkowisk', ‚Zum Bad'.“[4]

Diese sich wandelnde Lagerstruktur war besonders bedeutsam für den Widerstand: Eine zunehmende „Professionalisierung“ der dortigen Infrastruktur machte ein Entkommen fast unmöglich. Gerade in der frühen Lagerzeit gelang ein paar Treblinka-Gefangenen die Flucht, beispielsweise bei Arbeitseinsätzen im Wald oder durch das Verstecken in Warentransporten, die das Lager verließen, so auch Abraham Krzepicki, der später einen Bericht über das Lager abgab.

Eine „professionalisiertere" Infrastruktur wurde von den Deutschen auch zur Täuschung und Tarnung gewählt, um möglichen Widerstand im Keim zu ersticken, um die Opfer im Glauben zu lassen, sie seien zum „Arbeitseinsatz in den Osten“ transportiert worden. Auch vor Entwürdigungen und Schikanen schreckten die Täter nicht zurück. Glazar beschreibt weitergehend über das Lager: „Unter der Inschrift ‚Zum Ghetto' sieht man eine gekrümmte Judengestalt mit einem Bündel auf dem Rücken.“[5]

Der Aufstand und die Flucht

Zwei Minuten vor Vier am 2. August 1943 markiert den Beginn des Aufstands: „Vorne, irgendwo bei unseren Wohnbaracken, fällt ein Schuss. Danach Stille. Dann explodiert die erste Handgranate, gleich darauf die zweite – die dritte sehe ich auf dem gepflasterten Weg detonieren. Der Wachmann hinter uns ist nicht mehr zu sehen, auch der am Tor ist verschwunden. Josek und Herschek haben ihre Gewehre: ‚Revolution! Ende des Krieges!' Der zweite Teil der Losung soll die Wachmänner verwirren.“[6]

Viele Gefangene stießen ein „Hurra!“ heraus, die hölzernen Gebäude fingen Feuer, „Flammen lodern überall auf“[7]. Ein paar Gefangenen gelang der Weg zum Zaun und schließlich in den Wald.

„Als wir in völliger Dunkelheit zum anderen Ufer schwimmen und herauswaten, beginnt sich hinter uns der Himmel etwas aufzuhellen, und als wir das Ufer hinauf kriechen und uns umdrehen, sehen wir einen riesigen Feuerschein über Treblinka – größer und anders gefärbt als in all den Nächten zuvor, als er von dem großen Verbrennungsrost gespeist wurde.“[8]

Auch der Treblinka überlebende Samuel Willenberg verschriftlichte nach dem Krieg seine Erinnerungen an die Zeit. In seinem Buch Treblinka - Lager. Revolte. Flucht. Warschauer Aufstand. widmet er sich ausführlich den widerständigen Momenten der Zeit. Über die Flucht nach dem Aufstand schreibt er: „Ich schrie ihnen zu, die Hölle sei verbrannt.“[9]

Erinnerung

Heute, 80 Jahre nach dem Aufstand in Treblinka, ist die Auseinandersetzung mit dem jüdischen Widerstand im Rahmen der „Aktion Reinhardt“ auf wenige Forschungskontexte begrenzt. Überlebende dieser Zeit, die es geschafft haben, dieser „Hölle von Treblinka“[10], zu entkommen, haben ihre Erinnerungen verschriftlicht. Auch jüdische Überlebende, die selbst nicht in Treblinka waren, den Ort des Verbrechens aber sehr früh nach der Befreiung begingen, so Rachel Auerbach und Wassili Grossman, beschrieben den Ort in frühen Zeugnissen über die Shoah 1944 (Grossman) und 1947 (Auerbach).

Das Untergrundarchiv des Warschauer Ghettos sowie später die Jüdisch Historische Kommission nahm viele solcher Berichte sowohl während der Kriegszeit als auch nach Kriegsende auf. Diesen Zeugnissen sollte unsere Aufmerksamkeit künftig gelten.

 

*.notes

[1] Mehr Informationen hierzu online unter: https://bildungswerk-ks.de/events/aufstand-in-treblinka

[2] Einzelheiten des Verlaufes und der Planung des Aufstandes sind u.a. den folgenden Autoren zu entnehmen: Michał Wójcik, Der Aufstand in Treblinka: Revolte im Vernichtungslager; Richard Glazar, Die Falle mit dem grünen Zaun und Samuel Willenberg, Treblinka.

[3] Richard Glazar, Die Falle mit dem grünen Zaun, S. 141.

[4] Richard Glazar, Die Falle mit dem grünen Zaun, S. 142.

[5] Richard Glazar, Die Falle mit dem grünen Zaun, S. 143.

[6] Richard Glazar, Die Falle mit dem grünen Zaun, S. 144.

[7] Ebd.

[8] Richard Glazar, Die Falle mit dem grünen Zaun, S. 147.

[9] Samuel Willenberg, Treblinka - Lager. Revolte. Flucht, S. 151.

[10] So bezeichnete der sowjetische Kriegskorrespondent Wassili Grossman, der 1944 als einer der ersten das ehemalige Lagergelände betrat, den Ort.