Die Beweisaufnahme ist kurz an diesem ersten Prozesstag: Richterin Adlhoch verliest einen E-Mail-Verkehr zwischen Franco A. und einem Rechtsvertreter der Bundeswehr. Darin erbittet A. kurz nach seiner Festnahme im Februar 2017 die Meinung des Rechtsvertreters zu einer, so A., „sehr, sehr dummen“ Angelegenheit: Er schildert, wie er betrunken in Wien im Gebüsch eine geladene Waffe findet, sie einsteckt und anschließend vergisst. Kurz vor dem Abflug fällt sie ihm wieder ein und er versteckt sie am Wiener Flughafen. Zwei Wochen später als er sie abholen und zur Polizei bringen will, wird er von dieser schon erwartet - „von einem Moment auf den anderen wurde ich zum Schwerverbrecher“.  In der Antwort des Rechtsvertreters, der auch in A.s Disziplinarverfahren wegen seiner rassistischen Masterarbeit involviert war, formuliert dieser seine Einschätzung: A.s Geschichte klinge zwar abenteuerlich, aber so abenteuerlich „dass sie schon wieder wahr“ sein könne. Er glaube, dass A. aufgrund seiner vorbildlichen Karriere auch dieses Mal „mit einem blauen Auge davonkommen“ könne.

Ob sich diese Einschätzung bewahrheitet, werden die kommenden Wochen zeigen. Vorerst sollte es nicht so glimpflich für A. laufen: In den Wochen nach dem Waffenfund am Flughafen kam heraus, dass seine in Wien genommenen Fingerabdrücke mit denen des registrierten syrischen Geflüchteten „David Benjamin“ identisch waren. Im April 2017 wurde A. festgenommen. Die Ermittler_innen fanden dabei Hinweise auf seine extrem rechte Einstellung: Munition, Listen mit möglichen Anschlagspersonen und -orten, Fotos einer Ausspähaktion, Notizen voller völkisch-nationalistischer und rassistischer Verschwörungsmythen.

Offensive Selbstinszenierung

Vier Jahre nach seiner Festnahme wird das Verfahren gegen A. am Frankfurter Oberlandesgericht eröffnet. Schon mehrere Wochen vor Prozessbeginn sucht der Angeklagte in diversen Zeitungsartikeln die Öffentlichkeit: Er lässt sich in „Homestories“ von verschiedenen Zeitungen ablichten und interviewen. In diesem offensiven Versuch, seine eigene Inszenierung medial zu platzieren, zeichnet A. ein Bild von sich, das mit einem rechtsextremen Terroristen nichts mehr zu tun hat. Der Raum wird ihm bereitwillig gegeben. A.s Medienoffensive zeigt sich auch am Tag des Prozessauftaktes. Während sein Anwalt Moritz Schmitt-Fricke in einem Pressestatement davon spricht, sein Mandant habe sich „dazu hinreißen lassen, die Medien zu suchen“, läuft A. auf dem Weg zum Gericht extra einen Umweg, um dem Pressepulk Fragen zu beantworten. Im Gerichtssaal wirkt er gelassen, scherzt mit seinen Anwälten ohne Mund-Nasen-Schutz und versteckt sich nicht vor den Pressefotograf_innen. Die Inszenierung setzt sich fort.

Die Anklage: Der nächste Einzeltäter

Der Prozess beginnt mit der Verlesung der Anklage durch Staatsanwältin Karin Weingast. A. wird das „Vorbereiten einer schweren staatsgefährdenden Straftat“, Verstoß gegen das Waffen-, Kriegswaffenkontroll-, und Sprengstoffgesetz vorgeworfen. Außerdem werden ihm Diebstahl und Betrug aufgrund seiner Registrierung als syrischer Geflüchteter „David Benjamin“ zur Last gelegt. Gegenstand der Anklage ist auch die politische Dimension des Falles: A.s völkisch- nationalistische und extrem rechte Gesinnung werden benannt. Sein Vorhaben, unter der falschen Identität „David Benjamins“ einen Anschlag zu verüben, hätte ein „gesellschaftliches Klima der Angst“ verschärft und zu einer „weiteren Destabilisierung der Bundesrepublik“ beigetragen. Die Auswahl der Opfer, Politiker_innen und Personen des öffentlichen Lebens, die sich für eine liberale Flüchtlingspolitik einsetzten, seien ebenfalls Indiz für A.s ideologisches Tatmotiv.

Verteidigungsstrategie: Ein Patriot ist noch kein Nazi

Seine Anwälte Moritz Schmitt-Fricke und Johannes Hock stimmen in A.s skurriles Märchen in ihrem sogenannten „opening statement“ ein. Nicht zuletzt, weil wohl damit zu rechnen ist, dass außerhalb der Eröffnung und Urteilsverkündung kaum überregionale Presse am Frankfurter Gericht anwesend sein wird, ist diese Erklärung als politisches Signal zu werten: Ein Versuch, das Narrativ zu bestimmen und sich als Opfer zu stilisieren. Die Erklärung dauert doppelt so lang wie die Verlesung der Anklageschrift, eingangs wird dem Verfahren die Rechtmäßigkeit abgesprochen. Durch Zitation diverser rechtskonservativer Juristen oder Politiker faselt Schmitt-Fricke von den quasi „autokratischen Zuständen in der Bundesrepublik“. Über eine Stunde lang dichten die Rechtsanwälte eine Verschwörungserzählung, die bei rechten Narrativen rund um die Migration im Sommer 2015 anfängt und mit dem Vertrauensverlust in die Politik endet. Ihr Mandant, Franco A. habe schließlich einen Eid geleistet, der „diese Situation“ nicht hinnehmbar gemacht habe. Deswegen habe er auch „nicht gegen die Demokratie, sondern für sie“ gehandelt. A. wird als investigativer Ermittler dargestellt, der nur offenlegen wollte, dass seit 2015 rechtsfreie Räume auf autokratische Weise etabliert worden seien. Im zweiten Teil der Erklärung führt Hock eine schier endlose Liste ehemaliger Lehrer_innen, Schulfreund_innen und Bundeswehrkameraden an, die wohl vor allem A.s Harmlosigkeit belegen sollen. Eifrig wird sich hier bemüht, so oft wie möglich die Begriffe „sozial“, „weltoffen“, „engagiert“ oder „unbedingter Gerechtigkeitssinn“ von vernommenen Zeugen herauszufiltern, um schlussendlich zu begründen, dass der „Staatsbürger in Uniform“ zwar Nationalstolz und Patriotismus besitze, aber keinesfalls „extremistisch“ sei. Allein schon seine Lieblingsmusik („Tracy Chapman und Die Ärzte“) passe ja nicht zu einem Rassisten.

Ansprüche an kritische Prozessbegleitung

Zwar fällt, bis auf einige Ausnahmen, die Presseberichterstattung nicht auf diese plumpen Versuche ‚alternativer‘ Erzählungen rein. Und doch wird am ersten Tag schon offensichtlich, was diesen Prozess bestimmen wird – nämlich der Angeklagte selbst. Das macht eine kritische Einordnung und Kontextualisierung umso dringlicher, die von dem Prozess selbst wohl kaum zu erwarten ist. Denn nicht Bestandteil der Anklage sind mögliche Mittäter oder tatermöglichende Netzwerke: Die Anklagen gegen A.s enge Bekannten Mathias F. und Maximilian T. wurden vom Verfahren schon früh abgespalten, sowie A.s Kontakte zur rechten Preppergruppe „Süd“. Im Verlauf des Prozesses wird sich zeigen, wie umfangreich die Staatsanwaltschaft ermittelt hat und welche Erkenntnisse schlussendlich Eingang in die Verfahrensstrategie ebendieser finden. Aus Sicht der kritischen Prozessbegleitung lässt sich schon zu Beginn sagen, dass allein die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft und der im Voraus gesteckte Rahmen der Anklage die Möglichkeiten einer umfassenden Aufklärung rechtsextremer Verstrickungen in der Verhandlung stark einschränken.

Bis jetzt schwieg Franco A. zu den Anschuldigungen im Gericht, für den kommenden Gerichtstag am Dienstag, den 25. Mai, hat er eine Teileinlassung angekündigt.